Start

Aktuelles

Aktuelle Termine

Seminarkonzept

Unsere Referenten

Externe Seminare

Auftragsarbeiten

Literarisches Trio

Expertensuche

Ihre Meinung

Links

Berichte über kulturasyl

Forum

Archiv

aus: Knut Hamsuns Frühwerk im Kontext Übergänge vom Naturalismus zur Neuromantik
 
Autor: Dr. Ulrich Kriehn
 
Fußnoten erscheinen aus Gründen der Lesbarkeit abweichend vom Original verkürzt und im Text
 
(...)
 
2. Der Autor
 
 
2.1 Eine biografische Skizze
 
 
Hamsun entstammte einem Milieu, das man sich nicht ärmer, kärglicher und eintöniger vorstellen kann. Martin Beheim-Schwarzbachs Aussage, Hamsun habe keinerlei andere Erbschaft als den eigenen Geist, dass er "ein Selfmademan par excellence" (Beheim-Schwarzbach: Knut Hamsun) gewesen sei, ist sicher zutreffend. Hamsun hat seine Kindheit und harte Jugend einfühlsam selbst geschildert:
 
"Ich erinnere mich aus meiner Kindheit in Nordland einer seltsamen Nacht, einer stillen Sommernacht im Sonnenschein. Ich kam in einem Boot gerudert, aber ich ruderte nicht richtig, ich ruderte verkehrt und saß also mit dem Gesicht vorwärts im Boot. Alle Seevögel schwiegen, und nichts Lebendiges regte sich auf dem Lande. Da tauchte aus dem blauen Wasser ein Kopf empor, das Wasser troff an ihm herunter. Es war wohl nur eine Robbe, aber es sah aus wie ein Wesen aus einer anderen Welt, es lag da und sah mich mit offenen Augen an und grübelte. Sein Blick war der eines Menschen."
(Beheim-Schwarzbach:Knut Hamsun)
 
Die Erfahrung einer tiefen Naturverbundenheit, ausgelöst durch das grandios-eintönige Panorama Nordnorwegens hat Hamsun zeitlebens geprägt und ist Motiv in allen seinen Werkepochen gewesen. Die zweite Grunderfahrung ist Armut und Ausgegrenztsein: Sie zieht sich wie ein roter Faden durch all die gescheiterten Existenzen und Antihelden, von Björger an bis zu den Figuren des Spätwerks: Edwart, August, Oliver, Abel. Der 9-jährige Schneidersohn Knut Pedersen hatte eine arme, aber behütete Kindheit erlebt, bis zu demTage, an dem er zu seinem Onkel zum Arbeiten musste. Beheim-Schwarbach bezeichnete es als einen "kleine Sklavenhandel" (Beheim-Schwarzbach: Knut Hamsun) und das stimmte. Die Eltern waren beim Onkel verschuldet, und Knut musste anstelle einer Rückzahlung die Schreibarbeit für den Onkel machen, der im Pfarrhof wohnend auf einer höheren sozialen Stufe lebte. Der Onkel war Küster betrieb Landwirtschaft, einen Tuchladen, die Poststelle, die Gemeindebücherei, und veranstaltete "Erbauungsabende", die etwas mit der "Stunde" des schwäbischen Pietismus vergleichbar waren. In tiefenpsychologischer Sicht war der Onkel ein extrem zwanghafter Neurotiker, der für seine unterdrückten Aggressionen, die unter dem Überbau einer frömmelnden und pietistischen Lehre nur so wucherten, ein Ventil und einen Prügelknaben suchte. In dem 9-jährigen Jungen fand er ihn. Sowohl Thorklid Hansen wie auch Tore Hamsun deuten sein Verhalten bis hin zum Altersstarrsinn als Folge der fünf Jahre, die der Junge auf dem Pfarrhof des Onkels zubrachte. Bei Sigmund Freud werden die Charakterprägungen zwar in die frühe Kindheit hineinverlegt, aber es ist offenkundig, dass Hamsuns Werk von dem Motiv einer (verzweifelten) Auflehnung gegenüber den "Mächtigen" bestimmt ist, und genau dies war Lebenswirklichkeit des Kindes.
Auch Hamsuns völlige Indifferenz gegenüber der christlichen Religion (wenn man von den aggressiven und etwas peinlichen Nietzsche-Versatzstücken in "Munken Vend" absieht), läßt sich als Abwehrverhalten aufgrund der rücksichtslosen und dumpf-engstirnigen Frömmigkeit seines Onkels erklären; der 10-jährige versuchte, seinem Gefängnis zu entfliehen, lief weg, verletzte sich selbst am Fuß, alles aussichtslos. Zu allem Überfluß wurde zu den Prügeln und körperlichen Strafen noch eine subtile Form psychischer Gewalt dazugefügt: Hamsun schildert im Rückblick ohne die sonstige Ironie mit erschütterndem Realismus, wie er während der Erbauungsstunden die Traktate des pietistischen Pfarrers Lars Oftedal vorlesen mußte und was der bei ihm bewirkte:
 
"Und immer noch las ich, ich las wie ein Rasender. Ein aufrührerischer Zorn hatte mich erfaßt, ich übersprang jede zweite Zeile, nahm jede Gelegenheit wahr, zwei Seiten gleichzeitig umzublättern, erhob meine Stimme imme höher und zerknitterte das teure Wort Gottes in meiner Hand mehr als notwendig. Aber Oftedal hielt durch. Mit jeder Nummer erschien er mir härter und strenger, zutiefst erfüllte mich das klare Gefühl, daß er nach und nach meine helle Sonntagsstimmung mit seinen rohen Worten verdarb, und ich verfluchte ihn mit verbissenem Ingrimm - ihn mit all seinen niederdrückenden Quälereien.
(Beheim-Schwarzbach: Knut Hamsun)
 
(...)
[Start] [Seminarkonzept] [Unsere Referenten] [Externe Seminare] [Auftragsarbeiten] [Literarisches Trio] [Expertensuche] [Anmeldeformular] [Impressum] [AGB]